Rechtsstaat: Nicht in Zürich...

Pressefotograf wegen Nazivergleich verurteilt

 

Von Thomas Hasler

 

Weil er einen Polizisten beschimpfte, verurteilte das Obergericht den 55-jährigen Klaus Rozsa zu einer bedingten Geldstrafe.

 

Am 4. Juli 2008 war das leer stehende Hardturmstadion besetzt worden. Bei der Aktion «Brot & Äktschn» kam es tatsächlich zu Action, nämlich zwischen den Besetzern und der Polizei. Klaus Rozsa, der seit 30 Jahren auf den Auslöser drückt, wenn in Zürich zwischen Polizei und Demonstranten die Fetzen fliegen, war auch an jenem Freitag vor Ort.

 

Nachdem die Situation sich etwas beruhigt hatte, wollte ein 37-jähriger Polizist Rozsa wegen Hinderung einer Amtshandlung verhaften. Der 55-Jährige habe sich trotz entsprechender Aufforderung nicht vom Ort der Auseinandersetzung entfernt und damit die Arbeit der Polizei behindert. Im Rahmen der wenig zimperlichen Verhaftung soll Rozsa dem Polizisten ans Bein gespuckt und gesagt haben: «Härr S[...], Sie sind en absolute Nazi. Genau glich schlimm».

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Rozsa im letzten Sommer wegen übler Nachrede und Beschimpfung und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 21 Tagessätzen à 30 Franken. Nach rund 40 Strafanzeigen gegen den Fotografen war er zum ersten Mal verurteilt worden.

 

Am Dienstag fand die Berufungsverhandlung vor dem Obergericht statt. Rozsas Verteidigerin forderte die Aufhebung des Schuldspruchs. Das Bezirksgericht sei von willkürlichen Annahmen ausgegangen. Zu Unrecht habe es den als Zeugen befragten Polizisten volle Glaubwürdigkeit attestiert. Rozsa habe den Polizisten nicht mit einem Nazi verglichen. Er habe nur gesagt, das Vorgehen der Beamten entspreche jenem, das man aus Diktaturen und aus dem Faschismus kenne.

 

In der internen Urteilsberatung war sich das Obergericht nicht einig, ob dem Fotografen das vorgeworfene Verhalten rechtsgenügend nachgewiesen werden kann. Nur einer der drei Richter votierte aber für Freispruch. Der Gerichtsvorsitzende Christoph Spiess räumte in der öffentlichen Urteilsverkündung ein, beim Nazivergleich sei «die Beweislage wenig komfortabel».

 

Verfahren gegen Polizisten ruht

Das Obergericht reduzierte die Geldstrafe von 21 Tagessätzen auf 10 Tagessätze. Das Verschulden sei eher leicht. Angesichts der «relativ ruppigen und zackigen Verhaftung» sei Rozsas Verhalten «zwar nicht entschuldbar, aber ansatzweise einfühlbar». Rozsas Verteidigerin will den Schuldspruch ans Bundesgericht weiterziehen.

 

Bemerkenswert ist, dass der Pressefotograf bereits in zweiter Instanz verurteilt worden ist, während die Strafuntersuchung gegen die beteiligten Polizisten wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung und Amtsmissbrauchs noch nicht einmal eröffnet wurde.

 

Tages Anzeiger 14.04.2010   Dokumentation

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