8. Juni: Urteil im Prozess gegen Klaus Ròzsa

Medienmitteilung

 

8. Juni: Urteil im Prozess gegen Klaus Ròzsa

 

Teilfreispruch nach einem absurden Prozesstag

 

Zürich. 8. Juni. Es war von Beginn an grotesk: Zur Hauptverhandlung im Prozess gegen den Foto-Journalisten Klaus Ròzsa waren heute Morgen ein paar Medienvertreter, GewerkschafterInnen und Freunde des Angeklagten erschienen. Doch sie mussten – trotz Hundewetter – zunächst einmal draussen bleiben. Die Richterin C. Bühler war so überrascht, dass der (als öffentlich angekündigte) Prozess etwa zehn Interessierte angelockt hatte, dass sie die Polizei anforderte, die jeden einzelnen Besucher und jede einzelne Besucherin «filzte» (Zitat), bevor sie durch die mit Metalldetektoren ausgerüsteten Schleusen ins Innere des Bezirksgerichts Zürich treten durften. Da sich ausser Mobiltelefonen und einer Filmkamera keine gefährlichen Waffen finden liessen, konnte der Prozess schliesslich mit einer Verspätung von gut dreiviertel Stunden beginnen. Vier Polizeibeamte blieben während der ganzen Verhandlung anwesend und beobachteten (oder bewachten) das anwesende Publikum.

 

Der siegessicher auftretende Staatsanwalt liess es sich nicht nehmen, in seinem kurzen Plädoyer einige beleidigende persönliche Seitenhiebe auf den Angeklagten zu platzieren. Dennoch beantragte sogar er eine Reduktion des ursprünglich eingeklagten Strafmasses. Die Verteidigerin Regula Bähler rekonstruierte, wie unwahrscheinlich die sechs Anklagepunkte im Licht des vorliegenden Bildmaterials (siehe www.syndicom.ch) im Einzelnen aussehen und verlangte Freispruch. Klaus Ròzsa, der sich im Laufe der vergangenen rund vierzig Jahre fast zwangsläufig auf die Dokumentation polizeilicher Übergriffe an Demonstrationen spezialisiert hat, betonte in einer persönlichen Stellungnahme seinerseits, dass die zahlreichen, letztinstanzlich fast immer zu seinen Gunsten entschiedenen Prozesse, ihn – und mit ihm auch andere Medienschaffende, die über Polizeieinsätze berichten – an der Ausübung seines Berufes hinderten und faktisch eine Bedrohung für die vielgepriesene Medienfreiheit in der Schweiz darstellten.

 

Nach gut zweistündiger Beratung – und einer erneuten polizeilichen Durchsuchung und Bewachung der ProzessbesucherInnen – verkündete das Gericht folgendes Urteil:

Es liess sich nicht beweisen, dass Klaus Ròzsa den Sichtkontakt zwischen einem hinter ihm stehenden Polizisten und seinen Kollegen behinderte, während er diese fotografierte. Ebenso können seine Hilferufe während er von den Polizisten festgehalten, zu Boden gedrückt und mit Handschellen gefesselt wurde, nicht nachweislich als «Aufforderung zur Gewalt» interpretiert werden – zumal ihm niemand zu Hilfe eilte. In diesen beiden Punkten wird der Pressefotograf vom Vorwurf der «Gewalt und Drohung gegen Beamte» sowie der «Behinderung einer Amtshandlung» freigesprochen.

 

Dass sich aber Klaus Ròzsa vom Schauplatz wegbewegt habe, sei als Versuch zu werten, sich der Festnahme zu entziehen, urteilte das Gericht. Und dass er die Verhaftung schliesslich durch Fallenlassen verkompliziert habe, sei «möglich» und mache ihn der «Widersetzung einer Amtshandlung» schuldig. Ebenso ernst nahm die Richterin die «lebensnahen» Schilderungen der Polizisten, dass Klaus Ròzsa auf ein uniformiertes Bein gespuckt und derart mit den Füssen gestrampelt habe, dass er dabei einen Polizisten ins Bein gekickt haben könnte. Beide Punkte werden von der Einzelrichterin als «Gewalt und Drohung gegen Beamte» klassifiziert.

Angesichts der langen Verfahrensdauer und der persönlichen Folgen für den Angeklagten, der seit dem Vorfall aufgrund einer posttraumatischen Störung in Behandlung ist, reduzierte die Richterin das Strafmass auf eine Busse von 50 Tagessätzen zu 30 Franken, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Gleichzeitig wurde Klaus Ròzsa eine Prozessentschädigung von Fr. 1'500.- zugesprochen, bei teilweise Auferlegung der Gerichtsgebühren. Die Privatklagen der zwei Polizisten wurden abgewiesen.

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Klaus Ròzsa bezeichnete es als faktisches Berufsverbot während der Bewährungszeit und hofft, dass er keinen Polizisten mehr begegnet, die sich durch seine Anwesenheit bedroht fühlen.

 

Weitere Informationen zu den Hintergründen des Prozesses: www.syndicom.ch

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Wolf Ludwig (Freitag, 08 Juni 2012 18:52)

    Wie war das nochmals? In Rechtsstaaten gilt die Gewaltenteilung nebst Unabhängigkeit der Gerichte? Verfolgt man die Zürcher Verhältnisse - wie auch in diesem Fall -, werden Prügelknaben in Uniform von der Justiz geschont und "Beschuldigte" unter fadenscheinigen Vorwänden drangsaliert ... Damit perpetuieren sich solche Verhältnisse durch eine kuschende Justiz, die für die Zürcher Missstände gewissermassen mitverantwortlich ist.

  • #2

    Jules Schwarz (Samstag, 09 Juni 2012 18:34)

    Weshalb wird so viel geschrieben uber diesen Fall.
    Ich wurde durch einen Polizisten zum Invaliden gemacht. Das Verfahren gegen den Polizisten wurde eingestellt so entzieht sich die Staatsamwaltschaft und Polizei und der gesamte Stadtrat speziell Herr Martin Waser, jeglicher Verantwortung (Kosten). In der Folge wurde unsere Familie 4 Kinder total auseinandergerissen und die Ausbildung meines Sohnes kurz vor Abschluss abgebrochen. Der ganze Haushalt wurde aufgelost, die Familie zerstort. Daruber las ich nirgends etwas

  • #3

    Redaktion pressefreiheit.ch (Sonntag, 10 Juni 2012 12:15)

    Lieber Herr Schwarz.
    Auf unserer Webseite geht es ja gerade auch um Zensur in den Medien. In diesem Sinne, sind wir froh um Ihren Hinweis. Es geht aber nicht darum, Fälle von Polizeiübergriffen gegeneinander auszuspielen, wie Sie es tun. Sondern eben darum, dass solche Fälle nicht verschwiegen werden! Ihr Fall zeigt ja gerade, dass es keine Einzelfölle sind, und dass auch in Ihrem Fall die Medien total versagt haben, indem eben offenbar nicht berichtet wurde. Öffentlichkeit herstellen müssen Sie eben selber, z.B. durch Ihren Leserbrief hier, den wir nicht zensurieren!
    Auch über den hier erwähnten Fall von K.Rózsa wurde in den Medien sehr wenig berichtet, obwohl es sich um einen Fall besonderer Bedeutung handelt, da ein Journalist während der Berufsausübung Opfer von Polizeigewalt wurde.