Gewonnen haben... das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), die Swisscom und die Berufsbildungsschule Winterthur. Diese drei Nominierten haben am Samstagabend die satirischen «Preise, die keiner will» erhalten. Sie werden mit dem «Big Brother Award 2009» als «die schlimmsten Datenschnüffler geehrt», wie die Veranstalter schreiben. Schauspieler Ernst Jenni moderierte den Anlass in der Roten Fabrik in Zürich.
Die Betonskulptur in der Kategorie «Staat» ging an den Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (ÜPF) des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements. Begründung:
Der Dienst will den Internet-Verkehr künftig in Echtzeit überwachen. Die Schweizer Internet-Provider seien in einer Blitzaktion verpflichtet worden, bis spätestens Ende Juni 2010 auf eigene Kosten entsprechende Schnittstellen für «Direktschaltungen» bereitzustellen. Damit werde das ÜPF Zugang zu allen Daten haben, die «einen Computer über das Internet verlassen oder in ihn hineinfliessen», so Jenni.
Auf richterliche Anordnung erlaubt das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BUePF) dem Dienst, «den Telekommunikationsanbietern Aufträge zur Speicherung der Inhalte von Telefongesprächen oder E-Mails zu erteilen».
In der Kategorie «Business» erhielt die staatsnahe Swisscom den «Big Brother Award». Um im Internet surfen zu können, müssen die Swisscom-Kunden ihren Router über ein Swisscom-Web-Portal konfigurieren. «Die persönlichen Einstellungen wie z.B. das Passwort für den drahtlosen Internetzugriff WLAN werden also bei Swisscom gespeichert und von dort an den Router geschickt», erklären die «Big Brother Award»-Organisatoren. Die gespeicherten sensiblen Daten auf den Swisscom-Servern könnten von Firmenmitarbeitern und polizeilichen Behörden, die einen Gerichtsbeschluss haben, eingesehen werden, da sie auf den Router und den internen Netzwerkverkehr der Swisscom-Kunden zugreifen könnten.
Gerade in der Medienbranche, wo viele Verlagshäuser ihre gesamten IT-Dienste an die Swisscom ausgelagert haben, ist dies eine krasse Verletzung der Bundesverfassung. Doch die Medien schweigen, die Verlegerproteste bleiben aus.
Eine Betonauszeichnung mit Zertifikat erhält die Berufsbildungsschule Winterthur. In der Kategorie `Arbeitsplatz` siegte die Schule «für ihren Aufruf zum Denunzieren», heisst es in der Negativlaudatio. «Die Schule forderte die Nachbarn dazu auf, von ihren Fenstern und Balkonen aus Fotos der Schüler zu machen, welche Abfall auf den Boden warfen oder heimlich auf dem Schulgelände kifften.»
Der «Lebenswerk-Award» «für besonders hartnäckige Verletzungen der Grundrechte» erhielt die Firma Deltavista in Küsnacht.
«Als Marktführer, stellvertretend für etliche Unternehmen, die in diesem Business tätig sind und kommerziell private (Kunden-)Daten sammeln», heisst es zur Begründung.
Den Publikumspreis konnte die Studentengewerkschaft CUAE entgegennehmen. Diesen «positiven» Preis erhielt die Gewerkschaft, weil sie sich «gegen die fremdenpolizeiliche Kontrolle der ausländischen Studenten wehrte».
Die Preise sind dieses Jahr in der Schweiz zum 10. Mal verliehen worden. Mit den Big Brother Awards Schweiz wollen die Organisatoren die öffentliche Diskussion über Privatsphäre, Überwachung und Datenschutz fördern. Im Originalton:
«Mit diesem Preis werden die grössten Schnüffelratten der Schweiz aus Privatwirtschaft und Politik ausgezeichnet.» Mehr dazu: http://www.bigbrotherawards.ch
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