ISPA-Generalsekretär: "Beste Umsetzung ist nicht umsetzen"
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Wien (pte/02.12.2009/10:48) -
Da die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nun auch in Österreich unvermeidlich erscheint, hat das Wiener Zentrum für Rechtsinformatik (WZRI) http://wzri.eu gestern, Dienstagabend, zur Podiumsdiskussion im nach wie vor besetzten Audimax der Universität Wien geladen. "Die beste Umsetzung ist, sie nicht umzusetzen", betonte
dabei Andreas Wildberger, Generalsekretär des Branchenverbandes ISPA http://www.ispa.at.
Während diese Einschätzung breite Zustimmung fand, ist freilich davon auszugehen, dass über kurz oder lang eine Umsetzung auf Basis des Gesetzesvorschlags des Ludwig-Boltzmann-Instituts für
Menschenrechte (BIM) erfolgen wird. Das BIM selbst will den Entwurf dabei nicht als Freibrief zur Umsetzung verstanden wissen, sondern fordert endlich eine umfassende Diskussion der auch in
anderen Mitgliedsstaaten scharf kritisierten EU-Richtlinie.
Nutzungsbegehrlichkeiten
Eine Gefahr der Vorratsdatenspeicherung ist auch, dass sie neue Begehrlichkeiten schafft. So meinte der Wiener Rechtsanwalt Felix Daum, dass man darüber diskutieren müsste, ob die Daten zur
Durchsetzung von Urheberrechten im Internet genutzt werden können. Dass somit implizit Filesharer nun schon mit Terroristen und organisierter Kriminalität - denen richtliniengemäß mittels
Vorratsdatenspeicherung beigekommen werden soll - gleichgesetzt werden, stieß bei Publikum und Podium auf eher begrenztes Verständnis.
"Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass einmal vorhandene Daten Bedürfnisse zur Nutzung entstehen lassen", warnte etwa Andreas Krisch, Präsident der Bürgerrechtsorganisation European Digital
Rights (EDRi) http://edri.org . "Die EU-Richtlinie würde entsprechende Schlupflöcher bieten", meinte wiederum Doris Liebwald, Geschäftsführerin des
WZRI.
Grundmisstrauen statt Diskussion
Wie Liebwald betonte, wurde die EU-Richtlinie ohne große politische Diskussion und auf fragwürdigem Wege durchgepeitscht. Letzteres hat mit die Basis für die Klage der Republik Irland gegen die
Richtlinie gebildet, die im Februar vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgewiesen wurde. Letztendlich stehe die Vorratsdatenspeicherung auch im krassen Widerspruch zur etwa vier Jahre älteren
EU-Datenschutzrichtlinie, so Liebwald.
Wildberger kritisierte, dass durch die verdachtsunabhängige Verkehrsdatenspeicherung das "Grundvertrauen in Bürger in ein Grundmisstrauen umgewandelt" werde. Auch Christof Tschohl vom BIM
unterstrich, dass mit dem eigenen Entwurf grundrechtliche Bedenken zur EU-Richtlinie keineswegs ausgeräumt sind. "Die grundsätzliche, bisher nicht geführte Debatte, muss definitiv noch geführt
werden", betont der Menschenrechtsexperte. Seitens der Internet-Wirtschaft wiederum wird angesichts der wohl unvermeidlichen Umsetzung auch eine praktische Diskussion - etwa zur Kostenfrage -
eingemahnt.
Gesamteuropäische Rechtsbaustelle
Die EU-Richtlinie hat jedenfalls eine gesamteuropäische Rechtsbaustelle hinterlassen, in deren Bearbeitung viele andere EU-Staaten Österreich klar voraus sind. Das betrifft keineswegs nur die
Umsetzung. In Rumänien, wo wie in Österreich nur die minimale Speicherdauer vorgesehen war, hat der Verfassungsgerichtshof die nationale Umsetzung der Richtlinie bereits aufgehoben. Im Urteil
wurde unter anderem kritisiert, dass Ausnahmen vom Fernmeldegeheimnis zur Regel gemacht werden. Auch in Bulgarien gab es bereits ein Gerichtsurteil zu Ungunsten der Vorratsdatenspeicherung.
In Irland ist laut EDRi ebenfalls bereits eine Klage anhängig, eine weitere vor dem Tschechischen Verfassungsgerichtshof sei in Vorbereitung. Die größte Vorbildwirkung für Österreich könnte
freilich auch bei der Vorratsdatenspeicherung Deutschland haben. Dort wird sich der Bundesverfassungsgericht ab 15. Dezember mit einer Sammel-Verfassungsbeschwerde gegen die nationale Umsetzung
befassen.
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