Weltwoche schnüffelt Journalisten aus

Brief an alle Journalistinnen und Journalisten

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Wir schreiben Ihnen im Namen vieler Kolleginnen und Kollegen, welche bei der SRG arbeiten. Es geht um eine aktuelle Umfrage der Weltwoche bei SRG-Journalisten, welche uns Sorge macht.


Seit anfangs Jahr wird die Weltwoche nicht müde, die SRG zu kritisieren und auch anzugreifen. Das ist natürlich ihr gutes Recht. Man soll und darf die SRG kritisieren.

Die Qualität der Weltwoche-Argumente soll an dieser Stelle nicht hinterfragt werden - denn auch das unterliegt der journalistischen Freiheit.

Bekannt ist die Haltung der Weltwoche, alle Journalistinnen und Journalisten neben der Weltwoche dem linken Mainstream zuzuordnen. Soviel zum Journalismus-Verständnis der Weltwoche und zur Achtung gegenüber den anderen Journalistinnen und Journalisten.

Eine neue Story, welche die Weltwoche in Arbeit hat, überschreitet die Fairnessregeln aber deutlich. Die Weltwoche hat einer Anzahl von Journalisten in der SRG per Email Fragen nach deren persönlichem politischem Hintergrund gestellt (Fragen siehe unten). Das Ziel ist klar: Mit einer unklaren Art von Umfrage sollen die Journalisten der SRG als „links“ diffamiert werden.

Die Weltwoche greift damit in die Privatsphäre und die verfassungsmässig garantierten Freiheitsrechte der Journalisten ein. Sie macht die falsche Gleichung, dass jeder Journalist seine professionelle Arbeit nach seinen persönlichen politischen Präferenzen ausrichtet. Wir fragen: wo sind da die Grenzen? Müssen sich in Zukunft Journalisten auch über ihre Religion ausweisen, weil auch religiöse Fragen Gegenstand der journalistischen Arbeit sind?

Die Weltwoche gibt vor, Transparenz herstellen zu wollen. Es sei daran erinnert, dass ausgerechnet bei der Weltwoche die finanziellen Hintergründe alles andere als offen und klar sind.

Anlass für die „Umfrage“ der Weltwoche ist der Wechsel von Matthias Aebischer von der Fernsehredaktion SF zum Nationalratskandidaten der SP.  Als einst Bundeshausredaktor Norbert Hochreutener für die CVP und Anton Schaller für den LDU in den Nationalrat wechselten, als der SF-Chefredaktor (!) Filippo Leutenegger  für die FDP in den Nationalrat wechselte, gab es (zu Recht) keine Folgerungen und Diffamierungen, die Redaktionen der SRG seien einseitig bürgerlich ausgerichtet.

Wir bitten Sie als Journalistinnen und Journalisten, diese Aktion der Weltwoche gegenüber Berufskolleginnen und Kollegen zu hinterfragen und allenfalls dagegen zu protestieren.

Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen

Barbara Büttner, Journalistin und Präsidentin des SSM (Schweizer Syndikat Medienschaffender)

Stefan Keller, Journalist und Präsident Presse und elektronische Medien in der Gewerkschaft syndicom

Urs Thalmann, Zentralsekretär von impressum – Die Schweizer JournalistINNen



Mail der Weltwoche

Sehr geehrter ………
Im Nachgang zur Nationalratskandidatur von Tagesschau-Redaktor Matthias Aebischer machen wir bei der Weltwoche eine Umfrage bei den wichtigsten SRF-Info-Redaktoren. Im Sinne einer Herstellung von Transparenz gegenüber den Gebührenzahlern möchten wir Ihnen gerne folgende Fragen stellen:

-    Sind Sie Mitglied einer politischen Partei? Und wenn ja, in welcher?

-    Waren Sie jemals Mitglied einer politischen Partei? Und wenn ja, in welcher?

-    Waren Sie jemals auf eine andere Art und Weise politisch aktiv? Und wenn ja, wie?

-    Sind Sie oder waren Sie jemals Mitglied in einer wirtschaftlichen Vereinigung oder einem NGO? Und wenn ja, in welcher?

-    Sind Sie oder waren Sie jemals aktives Mitglied in einer gewerkschaftlichen Vereinigung? Und wenn ja, in welcher?

Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Für eine Antwort bis spätestens nächsten Montag wäre ich Ihnen dankbar.

Herzlich
Andreas Kunz, Ressortleitung Gesellschaft
DIE WELTWOCHE

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Kommentare: 11
  • #1

    Ronnie Grob (Samstag, 05 März 2011 13:33)

    Ist es nicht völlig absurd, dass auf einem "Webportal für Meinungsäuaserungsfreiheit" eine normale E-Mail-Anfrage eines Redakteurs als "Schnüffelei" denunziert wird?

    Wie geht das zusammen mit der Pressefreiheit?

  • #2

    Martin Häfeli (Samstag, 05 März 2011 14:37)

    Was ist genau die Idee? Ausgerechnet Journalisten soll man keine Fragen stellen dürfen? Warum soll man ausgerechnet der Berufsgruppe der Journalisten keine Fragen stellen dürfen? Während Journalisten alle anderen Berufsgruppen befragen? Zudem ist die Beantwortung ja freiwillig. Was für ein Berufsverständnis wird hier propagiert?

  • #3

    Jürg F. (Sonntag, 06 März 2011 12:56)

    Da scheint jemand in ein Wespennest gestochen zu haben! Es ist eben praktisch, alle WELTWOCHE-Journalisten in den Köppel/Blocher/SVP-Topf zu schmeissen als sich selbet einmal zu hinterfragen - oder hinterfragen zu lassen. Es könnte ja sein, dass man merkt, dass die eigenen Vorurteile nicht stimmen...

  • #4

    Jürg F. (Sonntag, 06 März 2011 13:06)

    Die Wirklichkeit sieht wahrscheinlich so aus, dass die WELTWOCHE tatsächlich Sympathien (und evtl. auch Unterstützung) aus SVP-Kreisen hat, dass aber die WELTWOCHE-Journalisten ziemlich unabhängig denken, arbeiten und recherchieren. Während beim SCHWEIZER FERNSEHEN (und bei einigen anderen Medien) einige Journalisten arbeiten, die gezielt, bewusst und ideologisch die SP unterstützen. Interessant ist, das verschiedene WELTWOCHE-Journalisten schon geäussert haben, dass sie NICHT politisch aktiv sind, NICHT SVP wählen oder Wechselwähler sind. Das scheint andere Journalisten nicht sonderlich zu interessieren; es könnte ja ihr Vorurteil in Frage stellen.

  • #5

    Daniel Landwehr (Sonntag, 06 März 2011 13:23)

    Tut nicht so naiv!
    Wenn man die Fragen liest, ist es klar, welche Absicht dahinter steht. Solche Fragen, nach politischer und v.a. auch der gewerkschaftlichen Ausrichtung - aus dem Büro der Weltwoche, hat nur ein Ziel: Denunziation. Und noch was: Es ist schon offensichtlich, wenn sich hier R. Grob und "Jürg F." über das SRF auslassen. In Wirklichkeit ist das Fernsehen und v.a. das Radio schon längst in rechter Hand, einseitig ist die SRG, ja einseitig RECHTS!
    Wenn jemand auf die Idee kommt, die WeWo Journalisten seien "unabhängig" ist die Gangrichtung ja auch klar.

  • #6

    Liba Maj (Sonntag, 06 März 2011 13:32)

    @ "Jürg F"
    Das sind eben nicht "Vorurteile" sonder Urteile aufgrund der entsprechenden (schmerzlichen) Erfahrungen...

  • #7

    Weissberg M. (Sonntag, 06 März 2011 13:36)

    http://www.kult.ch/article.php?article_id=2456

  • #8

    M. Häfeli (Sonntag, 06 März 2011 14:33)

    Wie kann man der WW eine Gesinnung unterstellen - und sie dann der "Gesinnungsschnüffelei" bezichtigen?

  • #9

    Roland (Sonntag, 06 März 2011 14:40)

    Die Frage ist, wie professionell die Linken noch kommunizieren. Diese Überreaktion ist leider kontraproduktiv - und irgendwie auch kindisch. Statt Argumente vorzutragen, geht man dünnhäutig auf Berufskollegen los, die ein paar (offenbar unbequeme) Fragen stellen. Das Traurige daran ist, dass sich diese Journalisten so immer weiter in die Deffensive und ins Abseits manövrieren. Das Resultat ist eine weitere Polarisierung - für die man dann hinterher natürlich wieder die "Weltwoche" beschuldigen wird.

  • #10

    Tony Lauber (Sonntag, 06 März 2011 17:12)

    Wovor fürchten sich die Verfechter der Meinungsäusserungsfreiheit? Vor der eigenen Courage?
    Warum so dünnhäutig? Es hindert euch ja keiner daran, euer Bild, das ihr euch von der WELTWOCHE macht, zu zementieren.

  • #11

    Jürg F. (Sonntag, 06 März 2011 18:06)

    @ Daniel Landwehr
    Interessant, dass Sie "Jürg F." in Anführungszeichen setzen (im Ggs. zu Ronnie Grob).
    Wen man nicht kennt (oder nicht zu kennen glaubt), dessen Standpunkt erscheint einem offenbar suspekt, und dessen Argumente möchte man gerne nicht als solche zur Kenntnis nehmen.
    Geht es dabei vielleicht darum, dass man dem Unbequemen lieber eine "Gesinnung" zuordnet, anstatt dass man sich auf eine Diskussion mit Argumenten einlässt?