Schweizer Justiz schert wieder mal aus: Fachverbände enttäuscht über Anti-Google-Entscheid

Der Informatik- und Telekommunikations-Dachverband ICTswitzerland und Swico, der Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz, haben den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2011 in Sachen Google Street View mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. «Für die Schweiz als Wirtschafts- und Innovationsstandort ist der vorliegende Entscheid nicht förderlich», erklärten sie am Donnerstag in einer gemeinsamen Medienmitteilung.

 

Der Datenschutz sei ein wichtiges Gut, auch bei digital gespeicherten Bildern. Die geforderte 100-prozentige Verfremdung der Bilder sei technisch allerdings sehr schwierig zu erfüllen, sollte aber Zielsetzung für künftige Dienstleistungen sein.

«Eine Fehlerquote von einem Prozent bei einer automatischen Verfremdung von persönlichen Merkmalen liegt in einer technologischen Toleranz, welche für den überwiegenden Teil der Street-View-Bilder akzeptabel ist», so die Meinung der beiden Verbände.

 

ICTswitzerland und Swico zeigten Verständnis dafür, dass in der Nähe von sensiblen und exponierten Orten der vollständige Schutz des eigenen Bildes verlangt wird. Diese Umsetzung müsse manuell ermöglicht werden. Sie riefen in Erinnerung, dass betroffenen Personen auf Google Street View eine Hilfefunktion zur Verfügung stehe. Auf Wunsch eines Nutzers würden die entsprechenden Bilder innerhalb von 48 Stunden aus dem Netz entfernt.

 

«Street View ist eine beliebte, innovative und nützliche Dienstleistung, die vom überwiegenden Teil der Schweizer Internetnutzer geschätzt und genutzt wird. Die Schweiz läuft aufgrund des Urteils Gefahr, in Zukunft auf den Street-View-Dienst verzichten zu müssen», warnen die Verbände. Das Urteil werfe aber auch Fragen auf zur Gleichbehandlung von nichtprivaten, digitalen Bilddaten im Internet. Das vom Bundesverwaltungsgericht gefällte Urteil setze bei Street View einen strengeren Beurteilungsmassstab an als bei anderen Anbietern von digitalen Bilddaten.

 

Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts tangiere schliesslich auch die bisherige Medienordnung in der Schweiz. «Bilder und Filme der Medien erfassen bei öffentlichen Anlässen und Reportagen im öffentlichen Raum ebenfalls unbeteiligte Passanten oder Zuschauer. Während diese auch später nicht anonymisiert im Internet abgerufen werden können, soll Google als Anbieter von geografischen Informationsdaten gemäss Urteil sicherstellen, dass eine 100-prozentige Anonymisierung gewährleistet wird», heisst es in der Medienmitteilung. Der Schutz der öffentlichen Sphäre werde damit, entgegen der Entwicklung der neuen Medien, unverhältnismässig vorangetrieben. Das Urteil werfe auch rechtliche Fragen auf bei öffentlichen Webcams und Newsportalen.

«Mit weiteren Klagen zum Recht am eigenen Bild ist zu rechnen», sind ICTswitzerland und Swico überzeugt.

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