Das Öffentlichkeitsgesetz, das die Bundesverwaltung transparenter
machen soll, ist noch nicht überall angekommen. Mit überrissenen
und ungerechtfertigten Gebührenforderungen versuchen Bundesstellen,
Medienschaffende bei der Recherche auszuhebeln.
10 000 Franken für einen Bericht. Krass ist die Forderung der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK): Für die Offenlegung eines 28-seitigen Berichts stellte mir der EFK-Rechtsdienst
eine Bearbeitungsgebühr von 8000 bis 10 000 Franken in Aussicht. Der Prüfbericht zu einem Beschaffungsprojekt der Armee ist zwar „vertraulich” klassifiziert. Auch ein solches Dokument kann –
zumindest streckenweise – zugänglich gemacht werden. Laut Gesetz muss die zuständige Stelle prüfen, ob die Klassifizierung aufgehoben werden kann.
Diese Überprüfung ist laut EFK-Rechtsdienst aufwendig. „Für diese Arbeit müssen drei Personen den Bericht durchschauen”, schreibt die Amtsjuristin. Konkret sei mit 80 bis 100 Stunden Aufwand à
100 Franken zu rechnen. Jede einzelne Berichtseite soll 2,8 bis 3,5 Stunden lang begutachtet werden. Dass die Finanzprüfer des Bundes mit dem absurden Gebührenbescheid Transparenz verhindern
wollen, liegt auf der Hand.
Teure Rückfragen. Auch das Bundesamt für Verkehr (BAV) versucht, Transparenz mit überzogenen Gebührenforderungen zu bodigen. Für den Blick in eine Datenbank, in der Zwischenfälle von
konzessionierten Transportunternehmern registriert werden, verlangt es
3000 Franken. Der Aufwand im Zusammenhang mit dem Einsichtsgesuch sei „nicht unerheblich”, heisst es. Es sei eine Anhörung der Transportunternehmen nötig. Schweizweit müssten 65 Verkehrsbetriebe
kontaktiert werden: „Korrespondenz in drei Sprachen.”
„Eine prohibitive Gebührenregelung”, warnt der Kommentar zum Öffentlichkeitsgesetz, „können in der Verwaltungspraxis die Rechte zurücknehmen, die vorher im Grundsatz eingeräumt wurden”. Genau das
geschieht in diesen Fällen, die beim eidgenössischen Öffentlichkeitsbeauftragten
in der Schlichtungs-Warteschlange festsitzen.
Bundeskanzlei verzichtet.
Dabei könnten die Ämter, wenn sie die Transparenz wollten, bei Medienschaffenden von einer Gebührenerhebung absehen. Gemäss „Allgemeine Gebührenverordnung” kann eine Behörde aufs Geld verzichten,
wenn ein „überwiegendes öffentliches Interesse” an einer Dienstleistung besteht. Zu empfehlen ist ein Hinweis auf diese Verordnungsklausel in jedem Einsichtsgesuch.
Vorbildlich ist hier die Bundeskanzlei (BK). In einer Weisung zur Umsetzung
des Öffentlichkeitsgesetzes ordnet sie an: Auf die Erhebung von Gebühren sei bei Medienschaffenden grundsätzlich zu verzichten. „Es ist unsere Aufgabe, Medien Antworten auf ihre Fragen zu geben”,
sagt BK-Medienchef Hansruedi Moser.
Bei der Finanzkontrolle ist Glasnost noch fern: „Ein überwiegendes öffentliches Interesse konnten wir im vorliegenden Fall schlichtweg nicht ausmachen”, schreibt die Leiterin des Rechtsdienstes.
Im Dokument, dessen Herausgabe kostenlos verlangt wurde, werden teils schwerwiegende Mängel bei der Immobilienbewirtschaftung der Armee aufgelistet. Da heisst es, das Verteidigungsdepartement
habe ihre Liegenschaften während Jahren vernachlässigt, die Instandhaltungslücke sei 4 Milliarden Franken gross. Weil das öffentliche Interesse an dieser Information angeblich gering ist, kann
sie bei den Finanzprüfern nur gegen Geld bezogen werden.
von Martin Stoll investigativ.ch
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