Polizei setzt Neonazikundgebung durch, umstellt das Haus und kontrolliert jW-Mitarbeiter nach Protestaktion auf der Terrasse
Geschäftsleitung und Redaktion der jungen Welt waren jedoch zu keinem Zeitpunkt darüber informiert worden. Der Einsatzleiter der Polizei war auch während der Neonazikundgebung für sie nicht zu sprechen.
Mitarbeiter von Redaktion und Verlag beschlossen zunächst im Gebäude zu bleiben. Daraus entwickelte sich eine lautstarke Protestaktion auf der Terrasse im sechsten Stock. Kochgeschirr aus der Teeküche und eine Lautsprecheranlage wurden eingesetzt, um die Propaganda-Reden der NPD zu übertönen. Antifaschistische Parolen wurden gerufen und Töpfe gegeneinander geschlagen. Aus dem Haus flogen auch mit Wasser gefüllte Luftballons.
Noch bei Redaktionsschluß hatte es geheißen, die NPD-Versammlung unter dem Motto »Arbeiter, wehrt euch« zur Erinnerung an den gescheiterten Aufstand in der DDR am 17. Juni 1953 sei vor der Zentrale der Partei Die Linke, dem Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz angemeldet. Dort hatten sich etwa 250 Gegendemonstranten versammelt. Polizeisperren trennten sie vom tatsächlichen Kundgebungsort der NPD, die zwar nur wenige, dafür aber bundesweit bekannte Teilnehmer wie Parteichef Udo Voigt aufzubieten hatte.
Sichtlich erbost über die von der jW-Etage ausgehenden Störungen versuchte eine Gruppe von Neonazis, in die jW-Räume im Erdgeschoß vorzudringen, wurde aber dann doch von der Polizei aufgehalten, die zuvor an dieser Stelle keine Absperrgitter aufgestellt hatte.
Nach dem Abzug der Teilnehmer der Nazikundgebung hielten Polizeibeamte das Haus umstellt, kontrollierten jW-Mitarbeiter, die sich auf den Heimweg machen wollten. Mit der Begründung, vom Dach der Redaktion seien Wasserbeutel auf die Neonazikundgebung geworfen worden, nahm die Polizei Besucher der jungen Welt sowie Geschäftsführer Dietmar Koschmieder vorübergehend in Gewahrsam, fotografierten sie und stellten Personalien fest. Die sogenannten »freiheitsbeschränkenden Maßnahmen« wurden zum Teil mit Gewalt durchgesetzt und dauerten fast zwei Stunden. Dabei ignorierten die Beamten auch den Presseausweis Koschmieders.
Verlag, Redaktion und Genossenschaft protestierten gegen diese Provokation. Politik und Polizei hätten gezielt eine Eskalation in Kauf genommen. Weder seien die Räume der jungen Welt ausreichend geschützt gewesen, noch habe man die Nazis ausreichend auf Distanz gehalten. Und nun soll der berechtigte Protest gegen den Naziauftritt kriminalisiert werden, heißt es in einer Erklärung.
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Prikryl (Dienstag, 17 Juli 2012 02:51)
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