Berliner Polizei gegen Pressefreiheit: Bei der Arbeit festgenommen

Ausgerechnet ein selbständiger Pressefotograf mit Profiausrüstung soll laut Polizei auf einer Demonstration nichts Besseres zu tun gehabt haben, als Böller zu werfen


Björn Kietzmann (Mitte) wird abgeführt
Björn Kietzmann (Mitte) wird abgeführt
Der freie Fotograf Björn Kietzmann war unschwer als Medienvertreter zu erkennen, als er am Samstag abend bei einer Demonstration in Berlin-Kreuzberg von der Polizei zu Boden gerissen und abgeführt wurde: Neben seiner Fotoausrüstung trug er seinen Presseausweis gut sichtbar um den Hals, auf dem Kopf einen Helm mit der Aufschrift »Presse«.

Bei der nichtangemeldeten Gedenkdemo für Carlo Giuliani, der vor zehn Jahren beim Protest gegen den G-8-Gipfel in Genua von der Polizei erschossen worden war, wollte Kietzmann seiner Arbeit nachgehen. Über 1000 Menschen hatten sich auf dem Lausitzer Platz versammelt. Gegen 22.30 setzten sich die Demonstranten in Bewegung, wurden aber nach wenigen Straßenzügen von der Polizei gestoppt. In kleineren Gruppen versuchten sie daraufhin, den im Mai eingeweihten Carlo-Giuliani-Park am ehemaligen Bethanien-Krankenhaus zu erreichen. Dabei kam es immer wieder zu Übergriffen durch Polizeibeamte.

Der Fotoreporter bewegte sich in einer Gruppe von vier Kollegen, die für verschiedene Medien tätig sind, als neben ihnen an der Waldemarstraße/Ecke Mariannenplatz ein Böller explodierte. Etwa eine Minute später, so Kietzmann, stürzte sich von hinten eine Gruppe Polizisten der 24. Einsatzhundertschaft auf ihn. Tatvorwurf: »Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion«. Laut Polizei soll er den Böller selbst gezündet haben. »Als Nichtraucher hatte ich nicht mal ein Feuerzeug bei mir«, sagt Kietzmann, der als Fotograf unter anderem regelmäßig für junge Welt arbeitet. »Schon kurz nach der Festnahme wurde mir von Polizeibeamten gesagt, sie seien ganz sicher, daß sie den Richtigen haben. Schließlich würden sie mich ja ständig überall sehen.« In der Tat ist Kietzmann häufig auf Demonstrationen unterwegs – mit seiner Kamera, die bei der Festnahme beschädigt wurde. Welche Reparaturkosten jetzt auf den Selbständigen zukommen, weiß er noch nicht.

Einer der anderen Fotojournalisten, die Kietzmann als Entlastungszeugen zur Verfügung stehen, sagte am Montag gegenüber jW, er habe »das Gefühl, daß die Polizei es bei Demonstrationen zunehmend auf Pressefotografen abgesehen hat«. Ein möglicher Grund ist die unerwünschte Dokumentation von Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, denn Gesichter, Nummern und Details wie die verbotenen, doch immer wieder mal gesichteten Quarzsandhandschuhe einiger Polizisten sind auf den Bildern der Profis besser zu erkennen als auf Handyfotos.

Etwa zwei Stunden saß Kietzmann in verschiedenen Gefangenentransportern; die Nacht zum Sonntag mußte er nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung in Polizeigewahrsam verbringen, die meiste Zeit in einer Tempelhofer Einzelzelle ohne WC. Um kurz vor sieben Uhr morgens wurde er auf freien Fuß gesetzt. Wegen der Hämatome und Schmerzen in der rechten Schulter sowie in der Steißbeingegend, die er seit der Festnahme hat, wollte der Fotograf am Montag zum Arzt gehen. Außerdem hat er sich wegen des Vorfalls mit der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) sowie einem Anwalt in Verbindung gesetzt, um rechtliche Schritte gegen die Polizei einleiten zu können.
Auch bei diesem Fall polizeilicher Willkür gegen einen Pressefotografen hat sich die ROG - Reporter ohne Grenzen, bisher nicht verlauten lassen.
(Junge Welt)

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Rafe (Sonntag, 22 Juli 2012 01:32)

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