Bezirkesgericht Zürich: Absurdes Theater
Am letzten Freitag (8.Juni) stand der Pressefotograf Klaus Rozsa vor Bezirksgericht. Er war im Zusammenhang mit der Besetzung
des Hardturmstadions am 4. Juli 2008 als einer von zwei Beteiligten verhaftet worden. Weil er sich bei der Verhaftung nach Meinung der
Einzelrichterin C. Bühler gegen zwei Polizisten zu sehr wehrte und einen angeblich ans Bein spuckte, wurde er einerseits zu 50 Tagessätzen
à 30 Franken bedingt verurteilt und erhielt anderseits eine Prozessentschädigung von 1500 Franken für den Teilfreispruch.
Der Prozess begann mit rund einer Dreiviertelstunde Verspätung. Der schwer verständliche Grund: Einzelrichterin C. Bühler erblickte fünf Minuten vor Prozessbeginn rund zehn Personen, die vor dem Gerichtsgebäude zusammen mit dem Angeklagten Klaus Rozsa auf den Prozess warteten. Drei trugen eine Fahne der Gewerkschaft «syndicom», vier waren JournalistInnen, vier weitere offensichtlich FreundInnen von Klaus Rozsa. Die Richterin sah durch diese Schar eher gestandener Personen die Sicherheit des Gerichts in möglicher Gefahr und forderte den Sicherheitsdienst an.
Da dieser im Stau stecken blieb, dauerte es seine Zeit, bis die vier KantonspolizistInnen eintrafen und die ZuschauerInnen vor dem
Betreten des Gerichtssaales filzen konnten.
Sie verfolgten in der hintersten Reihe den Prozess und gaben so dem Gericht, die Sicherheit, während des Prozesses nicht angegriffen zu werden.
Es liegt im Ermessen der verantwortlichen Richterin, ob sie die Sicherheit in ihrem Gerichtssaal gefährdet sieht und entsprechend handelt. Prozesse sind in der Schweiz in der Regel öffentlich und
zur Öffentlichkeit gehört auch, dass dieses Recht verhältnismässig praktiziert werden kann. In das Bezirksgericht
kann man ja keineswegs einfach so hineinspazieren. Man durchquert nach Anmeldung beim ständigen Sicherheitspersonal einzeln eine Schleuse, wird also zumindest maschinell gefilzt.
Ob es dem Gericht und der Polizei, wie Klaus Rozsa sofort feststellte,
darum ging, die BesucherInnen mit einer Durchsuchung zu demütigen, bleibe dahingestellt.
Reklame für einen effizienten Einsatz polizeilicher Mittel war die Sicherheitsaktion nicht.
Die Anklage
Am Abend des 4. Juli 2008 besetzten laut Anklageschrift
rund 50 Personen das verlassene Stadion Hardturm. Der Pressefotograf bemerkte auf dem Weg zu einem Fest die Aktion.
«Was wäre ich für ein Reporter, wenn ich nicht hingegangen wäre?», führte er vor Gericht aus. Vier Polizeibeamte trafen ebenfalls ein. Nach ihren Angaben war ein Gespräch mit den Besetzern nicht
möglich, da sie sofort mit Flaschen und Steinen empfangen wurden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass niemand behauptet, Klaus Rozsa hätte sich daran beteiligt. Ein Polizist forderte ihn
auf, sich zu entfernen. Worauf der Fotograf ihn laut Anklage beschimpfte. Wer Klaus Rozsa kennt, ahnt, dass er dem betroffenen Polizisten lautstark erklärte, dass er das Recht habe, die Polizei
bei ihren Aktionen zu fotografieren.
Laut Anklage stellte er sich zwischen zwei Polizisten und «gefährdete dadurch ihre Sicherheit, weil sie nicht mehr frei vor- und zurückweichen konnten.»
Nachdem Verstärkung eingetroffen war, forderten sie Klaus Rozsa auf, sich einer Personenkontrolle zu unterziehen, obwohl ihn einer der beiden mit Namen ansprach. Er entfernte sich zügig, sie
rannten ihm einige Schritte hinterher und verhafteten ihn. Er wehrte sich gegen das Anlegen des Schliesszeugs, liess sich laut Anklage absichtlich auf den Boden fallen, was dazu führte, dass die
Verhaftung "etwas länger dauerte".
Im Verlauf dieses Gerangels soll er einen Polizisten ans Bein gespuckt und
ihn durch seine Beine an seinen Beinen getroffen haben. Dazu soll er die Umgebenden zu Hilfe gerufen haben. Sieht man vom Spucken ab, das seine Verteidigerin entschieden abstritt, bleibt eine
Feststellung: Es war eine Verhaftung, wie sie bei Demonstrationen x-mal passiert, ohne dass deswegen eine Anklage erhoben wird. Einen anderen Straftatbestand erhob selbst die Anklage nicht.
Geschichte
Klaus Rozsa klagte die beiden Polizisten wegen seiner Verhaftung ein. Was – auch wenn dies logischerweise bestritten wird – erst zur Anklage gegen ihn führte: Sozusagen eine Gegenklage. Ein bei
der Zürcher Polizei leider nicht ganz unbekanntes Vorgehen.
Die Geschichte zwischen Klaus Rozsa und der Zürcher Polizei begann in den 70er Jahren. Zusammengefasst: Es ging immer um die Rechte der Fotoreporter bei Demonstrationen, seinem beruflichen
Spezialgebiet. Er war in den 80er Jahren ein Sympathisant der Bewegung. Dennoch schafften es seine Fotos, auf denen die Polizei nicht immer eine gute Figur machte, teilweise weltweit in die
grossen Medien. Zumindest ein Teil der Polizei schikanierte ihn, er kam auch mit Prügel dran, er gewann eine Reihe von Prozessen gegen die Polizei und vor allem gab ihm das Bundesgericht darin
recht, dass die Stadtpolizei Zürich ihre Richtlinien zu den Fotografen ändern müsse.
Es liegt auf der Hand, dass Klaus Rozsa seine Verhaftung an diesem Juliabend 2008 als eine weitere Aktion gegen seine Rechte als Fotoreporter ansah. Ob die beiden Polizisten ihn deswegen
verhafteten, bleibe dahin gestellt.
Merkwürdig ist, dass bei der ganzen Aktion nur zwei verhaftet wurden. Ausgesprochen fragwürdig bleibt der Fakt, dass die Klage von Klaus Rozsa nach vier Jahren immer noch unerledigt in einer
Schublade ruht. Eine
Erledigung könnte ja auch zum Schluss kommen, die Polizisten hätten innerhalb ihres Ermessensspielraums gehandelt.
Im Zweifel für
Seine Verteidigerin Regula Bähler schilderte anhand vieler Fotos die knapp fünf Minuten seines Verweilens vor Ort. Da Klaus Rozsa im Punkt der Hinderung einer Amtshandlung freigesprochen wurde,
bleiben hier nur
noch die Geschehnisse bei der Verhaftung.
Er hat ein chronisches Rückenleiden. Seine Bewegungen hätten den Zweck gehabt, eine Körperposition zu finden, die ihn weniger schmerzt, führte Regula Bähler aus. Die Polizisten wussten von seinem
Rückenleiden kaum. Wohl aber die Einzelrichterin, die ihn verurteilte; wenn auch nur zu einer Bagatelle, wie sie selber erläuterte. Es blieb neben dem umstrittenen Spucken nur der Vorwurf stehen,
dass er sich nicht subito verhaften liess.
Neutral ausgedrückt: Die Schilderung der Verhaftung durch die Verteidigerin ist genau so wahrscheinlich wie jene der Polizisten. Das wäre ein klassischer Fall für einen Freispruch. Zumindest
unter dem Gesichtspunkt «im Zweifelsfall für den Angeklagten». So wird sich ein weiteres Gericht mit einem Vorfall befassen, der eigentlich keiner war. Nur, weil einer Staatsanwaltschaft und
einer Richterin der Mut zur Verhältnismässigkeit fehlte –
das mit der Gerechtigkeit lasse ich lieber weg.
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Sto (Samstag, 07 Juli 2012 22:54)
Und keinen Journi interessierts - offiziell!
Monika Brunschwiler (Mittwoch, 08 August 2012 06:40)
Und jeder weiss zu 200% ! dass die Schilderung der Polizisten von A-Z total erlogen und verdreht ist. Die Zuercher Polizisten sind momentan in jeder Hinsicht neben dem Gesetz- und koennen sich nur noch auf interne Anweisungen beziehen um ihr falsches Handeln zu begruenden - wie lange noch laesst das Schweizer Volk sich sowas bieten ?
u=4481 (Mittwoch, 24 April 2013)
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