Artikel von Klaus Rózsa zum Mediengesetz in Ungarn, für die Zeitung Syndicom (Februar 2011)
Artikel von Klaus Rózsa zur Rolle der Schweizer und Deutschen Verlagshäuser in Ungarn, für die WochenZeitung WoZ (Originalversion) (Februar 2011)
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«Salü Filippo»
JEAN FREY Bei Filippo Leutenegger, CEO von Jean-Frey und Jungpolitiker, müssen die Gewerkschaften draussen bleiben. Protokoll: Matthias Preisser - 23.10.2003
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Klaus Rózsa, Präsident des Sektors Journalisten der Gewerkschaft Comedia, erzählt von einem heiteren Betriebsbesuch mit Hindernissen beim Jean-Frey-Verlag, der die «Weltwoche»,
die «Bilanz», den «Beobachter» und «TR7» herausgibt:
Seit der Kündigung des Presse-Gesamtarbeitsvertrags durch die Verleger informiert Comedia in den Betrieben. Bei Jean Frey haben wir den Besuch aus Höflichkeit zwei Tage vorher angekündigt: in
Form eines Briefs an Filippo Leutenegger, dass wir zu dritt kämen, um in den Redaktionen kurz über den GAV zu informieren. Und dass der Spuk etwa eine Stunde dauere, sprich zehn Minuten pro
Redaktion, und dass wir ein Infoblatt zum Thema vereiteln.
Mittwoch, 19.00 Uhr
Am Mittwochabend um sieben bekomme ich auf mein Handy einen Anruf. Der Mann am anderen Ende vergewissert sich zweimal, dass ich Klaus Rózsa und Präsident der Comedia Journalisten bin. Dann sagt
er, sein Name sei Wagner, er sei der Rechtsanwalt der Jean Frey AG und dann, mehr oder weniger wörtlich: Ich untersage Ihnen, morgen das Gebäude der Jean Frey AG zu betreten. Eine Zuwiderhandlung
hat eine Verzeigung wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung zur Folge. Ich frage ihn, ob es ihm eigentlich noch gehe, was der Quatsch solle. Wir schaukeln uns gegenseitig hoch. Er ist nicht sehr
freundlich zu mir. Ich bin nicht sehr freundlich zu ihm, und irgendwann hänge ich ihm das Telefon auf. Nach zehn Minuten, als ich mich etwas beruhigt habe, rufe ich Leutenegger daheim an. Ich
erzähle ihm vom Telefon mit Herrn Wagner. Bevor er mir seine Schäferhunde an den Hals hetze, könne er mich gefälligst selbst anrufen, wenn er etwas wolle. Er sagt, er werde Herrn Wagner anrufen
und besprechen, was los sei. Eine Stunde später ruft mich Leutenegger an und entschuldigt sich quasi für Herrn Wagner. So wie der mit mir geredet habe, sei indiskutabel, ich solle das vergessen.
Ich sage: Das heisst also, dass wir morgen kommen können. Nein, so sei es nicht, sagt er. Er könne uns nicht bewilligen, das Haus zu betreten. Wenn wir eine Veranstaltung im Haus machen wollten,
könne man darüber diskutieren, dass wir die Kantine benutzen, aber dass Gewerkschafter einfach durchs Haus laufen und auch noch Flugblätter verteilen würden, der Gedanke mache ihn krank. Ich
sage, wir wollten keine Veranstaltung machen, sondern einen Betriebsbesuch. Schliesslich einigen wir uns darauf, dass wir am nächsten Tag kommen können, er werde Frau Zett von der
Personalabteilung orientieren. Wir dürften aber keine Flugblätter verteilen. Nach langem Hin und Her gebe ich dazu mein Einverständnis.
Mittwoch, 22.00 Uhr
Am gleichen Abend bekomme ich noch einen Anruf von Leutenegger, etwa eine Stunde später. Er habe noch einmal herumtelefoniert. Es sei nicht so, wie ich gesagte hätte, dass es unser Recht sei, den
Betrieb zu besuchen. Ich müsse ihm sagen, in welchem Gesetz das stehe, ich hätte ihn quasi angeschwindelt. Ich sage, es sei jetzt abends um zehn, ich könne im Moment auch nicht grad das Gesetz
hervorzaubern. Was ich sagen könne, sei, dass es ein von der Schweiz ratifiziertes ILO-Abkommen gebe, in dem stehe, dass den Gewerkschaften der Zugang zu den Betrieben gewährleistet werden müsse.
Jedenfalls können wir uns wieder auf die ursprüngliche Abmachung einigen, dass wir den Betrieb besuchen können. Aber nicht allein, heisst es, sondern in Begleitung von Frau Zett von der
Personalabteilung, weil ja Interna oder vertrauliche Sachen herumliegen könnten. Auch das akzeptiere ich noch. Donnerstag, 8.00 Uhr Am nächsten Morgen um acht Uhr läutet mein Handy. Frau Zett
fragt mich, wo ich sei. Ich sage, quasi auf dem Weg zu ihr. Nein, nein, ich müsse in meinem Büro vorbeischauen. Ich frage, wieso. Im Büro warte auf mich ein Fax. Im Büro: ein Fax von Frau Zett,
im Auftrag von Filippo Leutenegger. Uns sei das Betreten des Areals und das Verteilen von Flugblättern verboten. Ich habe mit den anderen Comedia-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem Café
abgemacht. Auf dem Weg dorthin läutet das Handy. Frau Zett fragt, ob ich den Fax gelesen habe. Ich sage, ich hätte ihn gelesen. Ja und, fragt sie. Ich sei auf dem Weg zu ihnen, für mich gelte die
Abmachung mit Herrn Leutenegger vom Vorabend um zehn Uhr. Im Café läutet das Handy. Leutenegger ist dran: Frau Zett habe ihm gesagt, wir wollten doch ins Haus. Ich sage ihm, nicht unfreundlich,
aber energisch, es liege nicht drin, dass eine Abmachung, die ich mit dem CEO nach weiss Gott wie langem Hin und Her getroffen habe, nicht gelte. Es sei klar, dass wir kämen und uns an die
Abmachung von gestern hielten. Er rufe Frau Zett an, dass wir kämen, sagte Filippo.
Donnerstag, 9.30 Uhr
Beim Verlagshaus angekommen, melden wir uns am Schalter, wir hätten mit Frau Zett abgemacht. Sie kommt in Begleitung einer Frau, die sich als Assistentin Filippo Leuteneggers vorstellt. Die
Abmachung sei, dass wir schnell durch die Redaktionen laufen dürften, sie würden uns beide begleiten und wir dürften keine Flugblätter verteilen. Dann gehen wir durch die verschiedenen
Redaktionen, zuerst zum «Beobachter». Wir werden überall mit relativ grossem Interesse empfangen. Bei der «Bilanz» und beim «Beobachter» finden fast kleine Betriebsversammlungen statt, die
Redaktoren und Journalistinnen werden von jemandem der Belegschaft zusammengetrommelt, der sagt: Kommt, die Comedia ist da und informiert über den GAV. Beim «Beobachter» fragt am Schluss ein
Journalist: Habt ihr auch etwas Schriftliches? Ich antworte, schon, aber wir dürfens nicht verteilen. Er schaut mich an, als wäre ich bedient. Ich sage, es sei uns verboten worden. Wer hat euch
das verboten, fragt eine Journalistin. Ich sage: Filippo Leutenegger. Alles grölt. Daraufhin kommt der Chefredaktor des «Beobachters», Balz Hosang, und sagt zu Comedia- Sekretärin Stephanie
Vonarburg: Geben Sie mir 35 der Flugblätter. Sie macht ihre Tasche auf. Frau Zett stellt sich dazwischen und sagt zu ihm: Das ist aber nicht erlaubt. Darauf stellt sich Hosang, ein Hüne, vor sie,
eine kleine Frau, und sagt: Wollen Sie mir verbieten, Informationen entgegenzunehmen? Da geht sie zur Seite und sagt: Nein. Eben, sagt er, nimmt die Flugblätter und sagt den Leuten, er lege sie
auf. Donnerstag, 11.00 Uhr Nachher sage ich überall, wo wir vorbeikommen, ab elf Uhr würden wir noch vor der Türe stehen und Flugblätter verteilen. Und ich sage auch, dass es uns verboten worden
sei, diese zu verteilen. Um elf Uhr gehen wir runter und haben dort noch mit etwa fünfzehn Leuten diskutiert. Während dieser Diskussionen klingelt mein Handy, Leutenegger ist dran. Ich sage laut:
«Salü Filippo», damit es alle Umstehenden hören. Es wird grad ruhig. Ich wiederhole jede Aussage Leuteneggers laut. Das Lustige an Handys ist ja, dass man nie weiss, wo sich der andere befindet.
Filippo Leutenegger ist zwar richtig informiert: Wir sind nicht mehr im Haus, stehen aber vor der Tür. Leutenegger ist aufgebracht. Mehr oder weniger wörtlich sagt er, er sei persönlich schwer
enttäuscht von mir. Ich hätte mich nicht an die Abmachung gehalten. Wir hätten Unruhe in den Betrieb gebracht, wir hätten die Leute von der Arbeit abgehalten – und wir hätten 35 Flugblätter
verteilt.
work, 23.10.2003